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Steuern & Recht
22. Mai 2017
Beim Fenstersturz einer dementen Patientin haftet das Krankenhaus

Beim Fenstersturz einer dementen Patientin haftet das Krankenhaus

Gegenüber einer dementen Patientin kann ein Krankenhaus zum Ersatz des Schadens, den die Patientin erleidet, verpflichtet sein, weil sie aus dem ungesicherten Fenster ihres Krankenzimmers entkommen will und dabei in die Tiefe stürzt. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden.

Die klagende Krankenversicherung aus Köln begehrte von dem beklagten Krankenhaus in Winterberg die Erstattung der Kosten, die sie für eine verstorbene Patientin aufgewendet hat. Aufgrund eines Schwächeanfalls wurde die demente Patientin stationär in das Krankenhaus der Beklagten eingewiesen. Am Tag der Aufnahme wirkte sie verwirrt, unruhig und desorientiert. Sie zeigte Weglauftendenzen und wollte die Station verlassen. Trotz verabreichten Neuroleptika konnte die Patientin nicht ruhig gestellt werden. Die Krankenschwestern der Beklagten blockierten deswegen die Tür des Krankenzimmers der Patientin von außen mit einem Krankenbett, um sie am Weglaufen zu hindern. Am späten Abend des dritten Behandlungstages kletterte die Patientin unbemerkt aus dem Zimmerfenster und stürzte auf ein ca. fünf Meter tiefer liegendes Vordach. Sie erlitt erhebliche Verletzungen, u. a. Rippenfrakturen, zudem eine Lendenwirbel-, eine Oberschenkel- und eine Beckenringfraktur. Daraufhin wurden die Verletzungen in einer anderen Klinik operativ behandelt. Von dort aus kam die Patientin in ein Pflegeheim, in dem sie später verstarb. Für die unfallbedingte Heilbehandlung und ein Krankenhaustagegeld wandte die Klägerin ca. 93.300 Euro auf, die sie von der Beklagten, unter Hinweis auf nach Ansicht der Klägerin unzureichende Sicherungsmaßnahmen, ersetzt verlangt.

Das rechtskräftige Urteil des Gerichts

Das OLG Hamm hat den geltend gemachten Schadensersatz der Klägerin, aufgrund übergegangener Schadensersatzansprüche der Patientin, zugesprochen. Insofern war die Klage in zweiter Instanz erfolgreich. Die Beklagte habe nach Ansicht des Gerichts gegen ihre vertraglichen Fürsorgepflichten und gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Sie habe die Patientin im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren, soweit der körperliche und geistige Zustand der Patientin dies erforderlich machte, vor Schäden und Gefahren schützen müssen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht gerecht geworden. Gemäß der Dokumentation der Beklagten sei das Verhalten der Patientin auch am Unfalltage unberechenbar gewesen, u. a. habe sie auch an dem Tage aus dem Zimmer flüchten wollen. Der vom Gericht angehörte medizinische Sachverständige habe ebenfalls bestätigt, dass Patienten mit einem derartigen Krankheitsbild praktisch zu allem in der Lage sind. Vor diesem Hintergrund habe das Personal der Beklagten auch von einem möglichen Fluchtversuch durch das Fenster des Krankenzimmers ausgehen müssen. Das Fenster sei für die Patientin über einen davor stehenden Tisch und einen Stuhl zu erreichen und über einen nicht verschließbaren Fenstergriff zu öffnen gewesen. Die Beklagte habe das Öffnen dieses Fensters durch die Patientin verhindern oder diese in ein ebenerdig gelegenes Krankenzimmer verlegen müssen. Die notwendigen Vorkehrungen gegen ein Hinaussteigen der Patientin aus dem Fenster des Krankenzimmers seien der Beklagten möglich und zumutbar gewesen. Die Haftung wird durch das pflichtwidrige Unterlassen dieser Maßnahme begründet. (kk)

OLG Hamm, Urteil vom 17.01.2017, Az.: 26 U 30/16